Stiftungsprofessur Antje Boetius 2022

Mensch und Natur – Die Netzwerke des Lebens

Die Inhaberin den 22. Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur im Sommersemester 2022 war die Polar- und Tiefseeforscherin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts Professorin Antje Boetius. Immer im Sommersemester führt die „Stiftungsprofessur“ namhafte Persönlichkeiten zu einer Vorlesungsreihe an die Mainzer Universität, die jeweils am Dienstagabend den größten Hörsaal in der Universität füllt. Die von der Dres. Göbel Klima-Stiftung außerordentlich großzügig geförderte Vorlesungsreihe von Antje Boetius trug den Titel „Mensch und Natur – die Netzwerke des Lebens“.

 

Das Leben hängt von Netzwerken ab – zwischen Lebewesen und Umwelt ebenso wie zwischen  Lebewesen untereinander. Teils liegen diese Netzwerke klar vor Augen wie im Fall von Symbiosen, also im Zusammenleben von Individuen verschiedener Arten, die kooperieren, aber auch aufeinander angewiesen sind; teils sind die Netzwerke und die Netzknoten aber auch verborgen und erschließen sich nur durch Forschung. Die Netzwerke, die Mensch und Umwelt verbinden und so das Leben – und Überleben – ermöglichen, sind durch die Eingriffe des Menschen seit Mitte des 20. Jahrhunderts zunehmend bedroht – sie können sich nicht schnell genug anpassen, und in der Folge ist die Lebens- und Artenvielfalt zunehmend gefährdet. An acht Abenden zeigte die Vorlesungsreihe die Vielfalt dieser Netzwerke auf und beleuchtete, was deren Funktionen sind, wie widerstandsfähig sie sind und über welche Handlungsmöglichkeiten wir dort verfügen, wo sie bedroht sind.

In ihrem Eröffnungsvortrag stellte Antje Boetius das „Wunder der Lebensvielfalt“ in das Zentrum und präsentierte den Zuschauerinnen und Zuschauern die Vielfalt dort, wo man sich vielleicht nicht zuallererst vermutet: in der Tiefsee. Sechs Gastvorträge warfen dann ein Licht auf die Vielfalt der Netzwerke ebenso wie auf die Vielfalt der Zugänge zum Verhältnis von Mensch und Natur. Wie „alles mit allem zusammenhängt“, zeigte die Autorin und Historikerin Andrea Wulf in ihrem Vortrag zur Geschichte des Naturbegriffs auf den Spuren von Humboldt, der die engen Wechselwirkungen und Beziehungen in der Natur früh und mit besonderer Klarheit erkannte. Der Wiener Ökosystemforscher  Andreas Richter zeigte, dass der Boden nicht einfach Boden ist, sondern lebt – bevölkert etwa von Bodenmikroben – und dass Böden verstanden werden müssen, um den Klimawandel zu verstehen. Der Agrarökologe Andreas Bürkert behandelte die „Kunst nachhaltiger, sozial-ökologischer Agrarsysteme“, welche Oasen darstellen. Wie die Anpassung von Mensch und Umwelt uns in den Genen steckt, diskutierte der Archäogenetiker Johannes Krause, MPI für evolutionäre Anthropologie,  auch anhand neuester Befunde, und der Philosoph Dr. Andreas Weber hielt ein Plädoyer dafür, das Lebendige zu feiern – Lebewesen stehen nicht nur in Konkurrenz zu-, sondern vor allem in Kooperation miteinander. Wie Kooperation zwischen Arten funktionieren kann, zeigte die Meeresforscherin Nicole Dubilier vom MPI für Marine Mikrobiologie an Beispielen gelungener Symbiosen auf. Die Abschlussvorlesung von Antje Boetius fragte, wie Mensch und Natur wieder „zusammenkommen“;  denn das Netzwerk zwischen beiden steht aus mehreren Gründen vor einer Zerreißprobe – wegen neuen menschengemachten Stoffen ebenso wie aufgrund des Klimawandels.

Über das Verhältnis von Mensch und Natur als Netzwerk nachzudenken sei dabei „hilfreich, um zu verstehen, was ist zu tun gibt.“

Die Netzwerke und Zusammenhänge zwischen den Vorträgen wiederum machte Antje Boetius im Gespräch mit den Referentinnen und Referenten sichtbar, welches sich an die Einzelvorträge anschloss, bevor die Stiftungsprofessorin und ihr Gast mit dem Publikum diskutierten. Fragen von Zuschauerinnen und Zuschauern des Livestreams gingen nicht nur aus Mainz, sondern auch aus anderen Städten Deutschlands ein. Auf besonderes Interesse stieß die Stiftungsprofessur 2022 unter Studierenden der Universität, die an den Vorlesungen auch als Lehrveranstaltung im Rahmen des Studium generale teilnehmen konnten.

Aufzeichnungen der Vorträge sind auf der Webseite der Stiftung „Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur“ und dem YouTube-Kanal des Studium generale öffentlich zugänglich; dort fanden sie schon im ersten Jahr teils mehrere Tausend weiterer Zuschauer.

Vorlesungsreihe:  https://www.stiftung-jgsp.uni-mainz.de/vorlesungsreihe-2022-mensch-und-natur-die-netzwerke-des-lebens/

YouTube:  https://www.youtube.com/@studiumgeneralemainz/videos

Bericht:  Dr. Edith Struchholz-Andre, Prof. Dr. Cornelis Menke

Fotos:  Peter Pulkowski (Abschlussvorlesung am 12. Juli 2022)